Das St. Michaelskloster in Kiew

Das Михайлівський золотоверхий монастир (sprich: Mychajliwskyj solotowerchyj monastyr = Michaels Goldkuppel-Kloster) ist ein Ensemble aus mehreren Gebäuden aus verschiedenen Zeiten und in Sichtweite der Sophienkathedrale. Das Bild zeigt das Kloster um 1900. Die St. Michaelskathedrale innerhalb der Klostermauern wurde von 1108 bis 1113 von Fürst Swjatopolk II. Isjaslawitsch, Enkel des berühmten Jaroslaw dem Weisen, errichtet. Zu Ehren des Erzengel Michael, dem himmlichen Beschützer Kiews. Im Volk selbst heißt sie auch einfach Slatowerchi, also Goldspitze oder Goldkuppel. Die Kathedrale war wohl die erste mit goldenen Kuppeln und dies wurde dann quasi Standard bei weiteren Bauten von Gotteshäusern im christlich orthodoxen Osteuropa.

Bei der Ausarbeitung dieses Beitrags las ich, dass sich die Historiker wohl nicht ganz einig über die Geschichte des Klosters sind. Vorherrschend ist wohl die Meinung, dass 50 Jahre vor Fürst Swjatopolk II. sein Vater Isjaslaw I. Jaroslawitsch, das Demetrios-Kloster samt einer Kirche auf diesem Platz erbaute, benannt nach seinem Taufnamen Demetrios.

Beim Einfall der Mongolen 1240 wurde die Kathedrale schwer beschädigt und ihrer goldenen Kuppel beraubt. Zweieinhalb Jahrhunderte später, die Mongolen waren vertrieben, wurde ab 1496 das Kloster und die Kathedrale restauriert und anschließend komplett in St. Michael umbenannt.

Nach zahlreichen Restaurierungen und Erweiterungen ab dem  16. Jahrhundert, wurde es nach und nach zu einem der reichsten und beliebtesten Klöster in der Ukraine und zog auch immer mehr Pilger an. Ein Grund war auch, dass es Reliquien der heiligen Barbara beherbergte (rechtes Bild). Und auch wenn Kiew und das St. Michaels Kloster wegen der Verschiebung des Machtzentrums gen Russland an Einfluss verlor, blieb es doch eine beliebte Pilgerstätte. Im Jahre 1870 zählte man über 100 000 Pilger, die der Heiligen Barbara spendeten. Bis zur Oktoberrevolution 1917 wurden auch sogenannte St. Barabara-Ringe hergestellt und gesegnet, die als Glücksbringer und als Schutz gegen Hexenzauber nicht nur bei den Kiewern sehr beliebt waren. Aber nun schaut Euch doch bitte erst einmal dieses Vergleichsbild an, welche das Kloster 1888 und 2013 zeigt:

before
after

Auch wenn man wohl kaum Unterschiede zwischen den beiden Bildern erkennen kann, sind es doch komplett verschiedene Gebäude. Dazu die folgende Geschichte, es ist eine wahre Tragödie, wenn auch mit „Happy End“.

Die Religion war bekanntlich Staatsfeind Nr. 1 der Sowjetmacht. Laut Schätzungen fielen in den Jahrzehnten der kommunistischen Herrschaft – und besonders unter Stalin – im ganzen Sowjetreich rund 65% der Kirchen und Synagogen zum Opfer. Das St. Michaelskloster war leider eines davon! Die „Kunsthistoriker“ Stalins bescheinigten dem Kloster einen angeblich geringen, historischen Wert. Sie bezogen sich auf die Restaurierungen und Änderungen im 18. Jahrhundert im ukrainischen Barockstil. Dass im Inneren der alte byzantinische Stil aus dem 12. Jhd. erhalten wurde, spielte für sie keine Rolle. Vermutlich war das eh eine abgekartete Sache. Erwähnen sollte man aber auch, dass sich wenigstens ein Professor, Mykola Makarenko, gegen den Abriss aussprach. Und wie zu erwarten, starb er später im Gefängnis…

Am 26. Juni 1934 begann man mit dem Abbau der Mosaiken, Fresken und des ganzen Inventars. Das Bild zeigt das Innere der Kathedrale mit den kahlen, beraubten Wänden. Da man sich beeilen musste, gingen leider viele Fresken und Mosaike verloren. Ein Teil davon wurde der Eremitage und anderen, russischen Museum übergeben. Auch auf die umliegenden Kirchen wurden diverse Schätze verteilt, so auch an die Sophienkathedrale, wo sie im 2. WK von den Nazis geraubt wurden. Dort fielen sie dann in amerikanische Hände und gelangten später nach Moskau. Die Reliquie der Heiligen Barbara wurde in die Wladimirkathedrale ausgelagert. Weitere, vor allem wertvolle Gegenstände aus Gold und Silber, wurden ins Ausland verkauft oder vernichtet.

Letztendlich wurde im Frühsommer 1936 – wie auf dem Bild zu sehen – die Kathedrale und der Glockenturm gesprengt, weitere Gebäude wurden ebenfalls zerstört. Geplant waren an der frei gewordenen Stelle protzige, kommunistische Bauten. Geschaffen hat man jedoch nur ein Gebäude, welches heute das Außenministerium beherbergt. Der Rest des Platzes diente dann als Sportplatz, die Kirche von Johannes dem Täufer als Umkleidekabine…

Aber auch die Sowjetzeit ging zu Ende und die unabhängige Ukraine erklärte den Abriss als ein Verbrechen und beschloss den Wiederaufbau. Innerhalb von nur 3 Jahren, von 1997 bis 1999 entstand wieder das St. Michaelskloster an alter Stelle und Schönheit. Es wurde der ukrainisch orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats übergeben. Bei der Erschließung wurden mehr als 260 wertvolle Artefakte gefunden und wiederverwendet, ebenso wurde ein Teil der alten Krypta freigelegt und erhalten. Von vielen Fresken, Mosaiken und Symbolen wurden Kopien nach den Originalen angefertigt. Und es dauerte nach langwierigen Verhandlungen noch bis 2006, bis die Russen wenigstens 18 von 29 Mosaiken und andere Kunstgegenstände aus der Eremitage in Sankt Petersburg zurück gaben.

Hier nun die entsprechende Galerie mit Bildern des St. Michaelkolsters. Die Bilder stammen wieder von meiner lieben Sonnenblume. Herzlichen Dank dafür!

Hinweis zu den Quellen: Den Text habe ich nach Informationen aus der dt., engl. und ukrainischen Wikipedia und den dort verlinkten Nachweisen zusammengestellt. Die alten Aufnahmen stammen ebenfalls aus der Wikipedia und sind gemeinfrei.


 

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