Die unerwiderte Liebe
Wussten Sie, liebe deutsche Leser, dass Sie geliebt werden? Ich meine nicht von Ihren Partnern, Eltern oder Kindern - nein: Sie werden geliebt von den Ukrainern und Ukrainerinnen. Kaum eine Begrüßung und Vorstellung meinerseits vergeht ohne ein respektvolles „Deutschland. Gut!“ und einem erhobenen Daumen. Die Männer schwärmen von den Autos, der Technik, dem handwerklichen Können und der Effizienz deutscher Arbeiter und Ingenieure. Frauen lieben die "kulturny" Männer, die ihnen auch einmal die Hand geben, höflich die Tür aufhalten, kochen können und sich nicht zu schade sind, auch einmal im Haushalt zu helfen.
Deutschland wird geliebt. Keine Spur von Groll wegen des 2. Weltkrieges. Im Gegenteil höre ich von der älteren Generation zum Verwundern oft einen Seufzer und „Es wäre besser für uns gewesen, Hitler hätte gewonnen“. In diesem einfachen Satz will man natürlich nicht Hitler oder die Faschisten hoch leben lassen! Der Satz verkörpert die Tragik, dass es heute dem Besiegten in vielen Belangen besser geht als dem Sieger des großen Vaterländischen Krieges.
Ein netter, älterer Mann erzählte mir von seiner Zeit bei der Roten Armee. Er war in der DDR bei Berlin stationiert. Mit Stolz und Enthusiasmus folgte er dem Ruf seines Landes und schützte den kleinen Bruder. Er schwärmte von der Landschaft, dem guten Essen und den kultivierten Menschen. Und dann fragte er mich: „Aber weißt Du, was mich traurig gemacht hat? Dass die Leute unseren Schutz gar nicht wollten.“
An diesen Satz muss ich jedes mal denken, wenn ich aktuell die populistischen Äußerungen deutscher Politiker zum Fall Timoschenko lese; und die Meinungsmache der Medien sowieso. Was in aller Welt fällt denn Gauck, Gabriel, Merkel und Konsorten ein, sich in das Strafrecht eines souveränen Staates einzumischen? Vor allem, für wen? Julia Timoschenko ist nicht die Lichtgestalt der Demokratie für die Ukrainer! Bis auf ihre Familie, Partei und einige Anhänger ist Julia Timoschenko für die ukrainischen Menschen Mitglied im Clan der Oligarchen, die als Turbokapitalisten ohne Rücksicht und auf Kosten des Volkes reich wurden.
Während Anfang der 90er abertausende Menschen verarmten, da ihre Ersparnisse einfach eingefroren wurden, wurde JT einflussreiche Unternehmerin im Energiesektor (siehe Wikipedia). Wegen Steuerhinterziehung und Urkundenfälschung saß sie und ihr Mann schon vor 11 Jahren (!) in Untersuchungshaft und selbst Russland setzte sie auf die Suchliste von Interpol wegen Bestechung.
Jetzt ist diese Frau (angeblich) krank und wurde (angeblich) mißhandelt. Das Gesundheitssystem in der Ukraine ist nicht schlecht, wenn Mann/Frau Geld hat. Und daran mangelt es ihr ja nicht. Wie kommt diese rechtmäßig verurteilte Strafgefangene also dazu, etwas vollkommen unsinniges und für einen souveränen Staat unmögliches zu verlangen? Und wie kommen die deutschen Medien dazu, ihr auf den Leim zu gehen und ihren Speichel zu lecken? Sie war lang genug in Amt und Würden - hat sie da etwas Grundlegendes am Straf- und Rechtssystem der Ukraine geändert?
Der Präsident der Ukraine mag für viele ein unangenehmer Politiker mit zweifelhaften Entscheidungen sein. Berlusconi und andere waren es auch. Jedoch, die Unfähigkeit der Regierung nach der orangenen Revolution, bei der Juschtschenko und Timoschenko viel zu sehr mit gegenseitigen Machtkämpfen zu tun hatten als mit Tagespolitik, hat die Menschen hier schnell ernüchtert. Die Quittung kam bei der letzten Wahl, Wiktor Janukowitsch ist der legitime und demokratisch gewählte Nachfolger!
Das Problem der Ukraine ist seine disponierte geografische Lage und das Fehlen von wirklichen Alternativen in der Politik. Dieses Problem lässt sich leider nicht durch Import lösen, da müssen die Ukrainer selbst durch. Und es wird wohl noch seine Zeit dauern. Die Ukraine ist erst 21 Jahre jung und hatte nach dem Zerfall der Sowjetunion keinen starken, reichen Onkel wie die Bundesländer von Sachsen bis Mecklenburg-Vorpommern!
Deutschland, Du wirst geliebt! Aber aktuell beantwortest Du diese Liebe wie ein hinterwäldlerischer Bauer, um nicht zu sagen: arroganter Armleuchter!
Zusatzinfos für ehrenwerte Journalisten: Falls Sie selbst recherchieren wollen und Ihnen, wie ich jüngst [hier und hier] lesen musste, schnöder Mammon für die Reportage vor Ort fehlt, schreiben Sie mir. Die Ukrainer, zu denen ich mich so langsam auch zähle, sind ein äußerst gastfreundliches Volk und würden sich über objektive Berichterstattungen sehr freuen!
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vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich möchte gern weiter auf dieses Thema eingehen, deshalb erlaube mir die Frage: Was meinst Du mit täglichen Ungerechtigkeiten, mit denen die meisten Bewohner täglich kämpfen? Danke!
LG,
Jens
Die Probleme sind nicht neu und in den letzten 32 Jahren, in denen ich doch ein recht inniges Verhältnis zu dem Land habe, mal mehr mal weniger ausgeprägt. Mit der orangenen Revolution gab es mal die Hoffnung, dass alles in etwas geordnetere Bahnen kommt. Nur deshalb gibt es die EM dieses Jahr in der UA. Aber die Ereignisse um Timoschenko zeigen halt, dass die jetzigen Machthaber zwar eine demokratische Retorik gelernt haben aber eigentlich nur Clanchefs sind.
Es ist genauso wie hier beschrieben.
Ich kenne die Ukraine und ihre Menschen seit 8 Jahren.
Möge dieser Artikel von vielen Deutschen gelesen werden...
eigentlich ist Deinem Bericht nichts hinzuzufügen und er spricht mir aus dem Herzen. Wie der Verfasser konnte auch ich auf meinen vielen Reisen (bisher 20 Besuche in 2 Jahren)durch die Ukraine Menschen kennenlernen, die offen und immer freundlich zu mir waren. Mir als Deutscher wurde immer mit Respekt gegenübergetreten. Es wird die deutsche Gründlichkeit gelobt, die Pünktlichkeit, die Qualität deutscher Produkte wird hoch geschätzt. Doch wieviel "deutsche Qualität" steckt noch in unseren Produkten. Sicherlich ist der materielle Lebensstandard in Deutschland höher wie in den ländlichen Regionen der Ukraine, aber auch wir können von den Menschen in der Ukraine lernen. So durfte ich am 22.04 den Auferstehungssonntag erleben. Da kommt die gesamte Familie zusammen und man geht gemeinsam auf den Friedhof und gedenkt den toten Familienangehörigen. Selbst Wegstrecken von 1000 km sind da kein Problem. Wichtig ist die Familie. Mir wurde da schon schwer ums Herz wenn ich da an Deutschland denke. Schnell sind die Gestorbenen vergessen.
Die Ukraine hat große soziale Probleme und oft leidet die Landbevölkerung unter der schlechten medizinischen Versorgung auf dem Land aber in den Städten sieht das schon etwas anders aus und selbst in kleinen Krankenhäusern geht es in kleinen Schritten voran. So konnte ich erst vor 2 Wochen nagelneue Ultrschallgeräte auf der Geburtsstation eines kleinen Krankenhaus sehen und das waren bestimmt keine Spenden aus dem Westen. Auch war ich sehr erstaunt über einen MRT Termin den meine ukrainische Frau bekommen konnte. Samstag 17,00 Uhr. Habe ich so in Deutschland noch nicht erleben können. Auch die Auswertung 2 Tage später war sehr interessant für einen Deutschen. 45 Minuten hat der Arzt die Bilder mit meiner Frau besprochen.
Auch auf den Dörfern gehts es Schritt für Schritt vorwärts. So werden neue Zäune gebaut oder auch die Vorgärten werden gepflegt. Für mich ist eine positive Entwicklung spürbar und ich wünsche den Menschen, das diese Entwicklung weiter geht und das auch ohne die "Hilfe" der EU. Wie wir alle wissen vernichten Heuschrecken oftmals ganze Länder und ziehen weiter wenn es nichts mehr zum fressen gibt.
Tschuldigung, wenn ich nach so langer Zeit hier noch einmal einen Kommentar abgebe. Ich kann nur bestätigen, das wir Deutschen eun hohes Ansehen in der Ukraine haben. Aber leider ist es nicht umgekehrt der Fall. Ich lebe zur Zeit in Sachsen mit meiner Frau und hier ist uns etwas passiert, was ich vorher nie erlebt habe und das ist nicht der einzigste Fall hier was wir erlebt haben. Im herbst war der Sohn meiner Frau zu Besuch bei uns und wir haben im Kaufland eine Melone gekauft. Dort gab es zwei Sorten zur Auswahl eine war egal welche immer ein Preis und die andere wurde nach Gewicht verkauft. Nun hatte meine Frau eine sehr gute bei denen die alle den gleichen Preis hatte gefunden und sie ging mit ihrem Sohn an die Kasse. Ich war schon nach draußen gegangen um eine Zigarette zu rauchen (ja ich weiß, immer diese Raucher) und die beiden gingen allein zur Kasse. Nun war der Preisaufkleber genau an dieser Melone nicht mehr vorhanden, sollte aber kein Problem sein da sich die beiden Sorten schon farblich unterschieden. Denkste an der Kasse wurde meine Frau nieder gemacht und beschuldigt sie wolle betrügen und man nahm ihr die Melone weg. Wie sie dann mit Tränen in den Augen aus dem Markt kam und ich erfuhr warum bin ich zurück, habe der Verkäuferin ein Tomatengesicht beschert und wir sind mit der Melone aus dem Markt. Das war nur ein Beispiel von noch anderen, wie z.B. das man weil man hörte sie ist Ausländerin ihr einfach die Gurke die sie sich ausgesucht hatte aus der Hand genommen hat... und und und
Antwort: Lieber Uwe, wir kennen auch solche Geschichten. Unangenehme Zeitgenossen hast Du leider überall. Man braucht dann schon ein dickes Fell. Bist Du gebürtiger Sachse? Ich bin es. Und ich habe so einiges erlebt, als "Ossi" im Westen, selbst noch 2010, kurz vor unserer Umsiedlung... manche lernen es eben nie und sind eher zu bemitleiden.
Und auch hier im Dorf ist nicht alles rosarot. Da gibt es Menschen, die vorgeben, einen nicht zu verstehen; Begrüßungen auf der Straße mit Hitlergruß, usw. Passiert ab und zu, sind eben die unrühmlichen Ausnahmen. Wie oft wurde Deine Frau denn freundlich "abkassiert"? :)