Christlich steht nicht nur im Namen

Wie ich gestern schon schrieb, haben Kurt Simmchen und der Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz die ersten Verwundeten vom Maidan erfolgreich in Dresdner Krankenhäuser überführt. Hier ein Gastbeitrag von Kurt mit einer Chronologie der Ereignisse und Bilder vom 06. und 07.03.:

Ich hatte einen der Initiatoren der Proteste, Maxim Kytsyuk kennengelernt und von Vasil Maximiv (schwerverletzter Aktivist) gehört, und wollte helfen. Arzt bin ich nicht, aber ich wollte helfen und mobilisieren. Ich redete mit dem Oblastrada von Ivano-Frankivsk und fand beim Vorsitzenden wenig Verständnis und keinen Mut zur Entscheidung.

Noch vor dem Städtepartnerschaftsbesuch der Stadt Halytsch am 02.02.2014 in Radeberg war ich ab Mitte Januar unterwegs. Auch im Februar plagten den Mann noch Bedenken. Am 19.02 ist Vasil Popowitsch, Co-Vorsitzender des Volksrates, endlich bereit zu unterschreiben. Das Volk hat eben mehr Mut und Initiative als die Institutionen.

Dann aber überholten uns die Ereignisse und die Mörder schlugen in Kiew zu. Aus den vereinzelten Übergriffen auf Aktivisten und Journalisten wurde ein jagdmäßiges Morden durch Scharfschützen. Da war der Brief mit der Bitte um Hilfe schon in Dresden und Berlin bei Arnold Vaatz. Ich bat meinen CDU-Bundestagsabgeordneten um Hilfe.

Auf der Suche nach Partnern, um Hilfe für die Verletzten des Maidan zu organisieren, fiel mir nur einer ein. Er, Arnold Vaatz, Bürgerrechtler der DDR aus Sachsen und ihn fragte ich. Er ist auch stellvertretender Fraktionsvize der CDU/CSU-Fraktion und für Menschenrechtsfragen zuständig. Arnold Vaatz redet nicht sehr oft im Bundestag, aber was er sagt hat Gewicht und was er sagt, das macht er auch. Hier eine kurze Chronologie:

19.02.2014 Der Volksrat von Ivano-Frankivsk unterschreibt meine Bitte an Arnold Vaatz.
Noch in der Nacht landet die E-Mail im Berliner Büro und im Wahlkreisbüro.
21.02.2014 Arnold Vaatz spricht im Bundestag zur Notwendigkeit humanitärer Hilfe für die Opfer der Gewaltorgie der Mörderbande „Berkut“.
24.02.2014 Das Außenamt beginnt die Bedingungen für eine Übernahme der Verletzten zu prüfen. Bürokratie braucht Zeit, viel Zeit, aber Arnold Vaatz lässt nicht locker.
28.02.2014 „Wir kommen nächste Woche. Bitte schicken Sie die Listen.“

Gemeinsam mit den UDAR-Abgeordneten der Oblast Taras Parfan und Mikola Palitschuk organisieren wir die ukrainischen Notwendigkeiten.

Ohne Übersetzer eine unlösbare Ausgabe. Hatte den Brief noch der Leiter der Fachrichtung Deutsch der hiesigen Uni übersetzt, stand uns nun eine Dozentin zur Verfügung. Julia Kapak – wie ihre Brüder auch eine Aktivistin des Maidan. Kein Nein und kein Stöhnen kamen ihr über die Lippen. Sie wollte helfen und hat es von ganzem Herzen getan.

Nun brannte die Luft. Patientenlisten abstimmen. Haben sie Pässe, einer ohne Pass, 2 abgelaufene – Druck aufs OWIR und dann noch nach Kiew.

Ich erlebte eine super Zusammenarbeit mit den Beamten der Botschaft in Kiew. Vielen Dank allen Beteiligten der Visaabteilung.
05.03.2014 Drei Fahrzeuge der JOHANNITER-UNFALLHILFE setzen sich am frühen Morgen in Dresden in Bewegung. Arnold Vaatz, sein Mitarbeiter Michael Heidrich und 5 Sanitäter von den Johannitern sind auf dem Weg in die Ukraine.
06.03.2014 Gegen 02:00 MEZ(03:00 Ortszeit) nach 20 Stunden sind sie im Hotel „Panska Hora“. Eine Stunde vorher haben wir sie am Grenzübergang Krakowez empfangen. Das Hotel ließ es sich nicht nehmen die Gäste aus Deutschland noch in der Nacht mit einem 3-Gänge-Menü zu empfangen.

Die Helfer hatten verlängerte Nachtruhe, schließlich wartete ja noch die nicht leichte Heimreise. Aber für uns standen zwei wichtige Gespräche auf der Tagesordnung. 10:00 Uhr mit dem Stellvertreter des Oberbürgermeisters von Lemberg, Oleg Berezyuk. Und 14:00 Uhr mit dem Vorsitzenden der Volksbewegung und Oblastabgeordneter Andriy Kornat.

Arnold Vaatz informierte sich über die Fortschritte bei der Überwindung der Strukturen der Janukowitsch-Herrschaft und der Errichtung demokratischer Organe und erläuterte die Haltung der Bundesregierung. Bereits zum Termin mit der Volksbewegung waren wir wieder vollzählig und besuchten gemeinsam die Gedenkstätte für die „Himmlische Hundertschaft“ auf dem Lviver Maidan.

Eine Besonderheit war das Essen in der Kryjivka. Googelt und Ihr wisst alles. Wir waren noch keine 12 Stunden in Lviv und viele Leute im Zentrum wussten, mit welcher Aufgabe wir in der Stadt waren. Achtung und Anerkennung begegnete uns auch in der Öffentlichkeit.

Am Abend besuchte uns der Abgeordnete des Parlaments der Ukraine Roman Tschernego von der UDAR. Gegenseitige Information bei dem Gespräch unter Kollegen und Austausch mit den deutschen Helfern. Hochachtung drückte Roman Tschernego aus, als er hörte, dass die Sanitäter für diese Maßnahme Urlaub genommen hatten und alles in Ihrer Freizeit tun. Roman dankte uns im Namen der Fraktion UDAR und auch im Namen von Vitali Klitschko und allen Demokraten der Ukraine.
07.03.2014 Der entscheidende Tag bricht an. Als es ans Bezahlen der Rechnung geht, wird durch die Leitung des Hotels „Panska Gora“ erklärt, dass der Aufenthalt und alle Kosten auf das Haus gehen. Auch sie stehen auf dem Maidan, jeder auf seinem Platz und sie möchten sich so bei den Helfern und bei allen Beteiligten für diesen selbstlosen Einsatz bedanken.

Alle sind gespannt, alle sind überpünktlich zum Frühstück erschienen und dann ist es soweit. Die Patienten aus Rivni (Rovno) treffen ein. Ich bin erschüttert. So jung noch und schon von Invalidität bedroht. Die Angst ist in den Augen sichtbar, aber man will tapfer sein. Dann die Verwundeten aus Ivano-Frankivsk. Schwerer Armdurchschuss, Bauchschuss und Vergiftung und Lungenentzündung.

Dann aber die schwerste Aufgabe des Tages. Ich soll den Eltern und der Braut des Jüngsten der Sechs mitteilen, dass die Ärzte in Deutschland keine Problem für den Transport des Sohnes sehen, dass aber die notwendigen Operationen schwer werden und dort ein erhöhtes Risiko vorliegt.

Alle werden entsprechend ihrer Verletzung in den 3 Fahrzeugen untergebracht und nach der Segnung des Vorhabens, der Fahrzeuge und der Helfer durch einen Geistlichen der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche, Vater Wolodomir, setzen sich die Fahrzeuge in Bewegung.

20:00 Uhr Kontrollanruf bei einem Begleiter. „Wir sind gerade in Bautzen und fahren jetzt nach Dresden. Alles in Ordnung und keine Probleme.“

Eine Hilfsaktion hat an diesem Abend Ihre erste Etappe bestanden und nun hoffen wir auf die erfolgreiche Heilung der sechs Aktivisten des Maidans.

Vielen Dank auch im Namen des Direktors des Oblastkrankenhauses Ivano-Frankivsk an die Spender der Kleidung und der medizinischen Spenden.

Ein großes Dankeschön an Müllermilch Leppersdorf. Ohne große Fragen hatte das Werk Milchprodukte zur Verfügung gestellt und heute am 08.03. war die Freude bei den Kindern im Krankenhaus groß, als es leckere Milch aus Deutschland gab. Natürlich auch bei den Verletzten, aber diese hatten als „große Brüder und Väter“ zuerst an die Kleinen gedacht.

Hier nun Bilder und weitere Informationen vom 06. und 07. März:

Fortsetzung folgt...


 

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