Was, wenn die »3-Tage-Spezialoperation« erfolgreich gewesen wäre?

Eines vorweg. Dieses Szenario spiele ich aus einem ganz bestimmten Zweck durch. Von allen Seiten riecht es, nun, ich sage es ganz offen, nach Verrat an westlichen Werten, nach Verrat an allem, woran wir glauben und nach Verrat an der Ukraine! Denn wenn ein fauler Kompromiss ausgehandelt wird, wenn die Ukraine nicht wieder volle Kontrolle über ihr gesamtes Land, einschließlich der Krim bekommt, macht sich der ganze Westen in der Welt unglaubwürdig und wir sehen düsteren Zeiten entgegen. Geplant habe ich drei Teile. Diesen, einen zweiten Teil mit einem Szenario, wenn es zu einem unwürdigen Kompromiss kommen sollte und im dritten Teil meine Vision für ein gerechtes Ende dieses Krieges. Fangen wir an:

Wir nähern uns dem 4. Kriegsjahr und ich habe mir gestern auf Youtube Torsten Heinrichs erste Videos vom Februar und März 2022 angesehen. Es kamen wieder viele Erinnerungen hoch und viele Fragen, vor allem diese hier. Dass die Ukraine weiterhin widersteht, verdanken wir in erster Linie dem heldenhaften Kampf ukrainischer Soldaten – und der Blödheit der Russen. Denn wenn die Vorbereitung und Logistik der Russen besser gewesen wäre und ihre kilometerlangen Fahrzeugkolonnen ihr Ziel erreicht hätten, anstatt schon 20km hinter der Grenze wegen Spritmangel liegenzubleiben, wäre eine Einkesselung Kyjiws und deren Kapitulation durchaus möglich gewesen. Ein weiterer großer Fehler der Russen war, dass sie allesamt so strunzdumm waren, auf ihre eigene Propaganda hereinzufallen und wirklich glaubten, die Ukrainer wären viel zu schwach und würden sie mit Blumen begrüßen. Im Kanzleramt rechnete man ja auch damit, nicht umsonst lehnte Christian Linder beim damaligen Botschafter Andrij Melnyk jede Hilfe ab, weil er der Meinung war, dass die Ukraine nur noch wenige Stunden existiert. Also, was wäre denn passiert, wenn die Russen es geschafft hätten, wie geplant Kyjiw einzunehmen und den Victor Janukowitsch als ihre Marionette zu installieren?

Für die Ukrainer wäre es natürlich ein Fiasko. Zum einen hätte es eine viel größere Massenflucht gegeben, Europa müsste mit einigen Millionen weiterer Flüchtlinge zurechtkommen und viele von denen hätten eine große Wut im Bauch. Es gab zwar in den ersten Tagen des Krieges einige Fälle von Fahnenflucht, besonders im Südosten, nach einem Fall der Hauptstadt und dem entsprechenden Chaos in der Kommandostruktur wäre eine massive Frontflucht durchaus denkbar gewesen. Es wäre zu erwarten, dass Russland nicht sofort die ganze Ukraine eingenommen hätte. Vermutlich wäre der Dnipro vorerst eine Grenze plus dem südlichen Korridor nach Transnistrien/Moldawien über das sehr russisch geprägte Odesa. Wer das nicht glauben sollte, der schaue folgendes Bild an. Das zeigt Medwedjew bei einer russischen TV-Sendung im März 2024 vor einer Karte, in der die Ukraine nach Moskaus Vorstellungen aufgeteilt ist. Rumänien und Ungarn überlässt man einen Teil und vor allem Polen soll „profitieren“, das Gebiet umfasst ungefähr das alte Fürstentum Galizien/Wolhynien.

Medwedjew vor einer Karte

Einige Ukrainer würden natürlich in den Untergrund gehen und als Partisanen weiter kämpfen. Da der angerichtete Schaden durch Bombardierungen noch nicht so groß war, kann man jedoch davon ausgehen, dass sehr viele der in der Ukraine verbliebenen Menschen eine abwartende Haltung eingenommen hätten. Es gab leider immer noch zu viele, die sich ein gutes Verhältnis zu Russland wünschten.

Wenn die Russen etwas können, dann vor allem Lügen und Propaganda. Was würden die Ukrainer denn denken, wenn die Propagandisten hernach genüsslich und mit viel Häme den Westen an den Pranger stellen, in der Art von: „Na, wie haben sie euch denn geholfen? Schaut euch Deutschland an, die wollten euch gerade mal 5000 Helme schicken!“. Und so würde es tagaus, tagein in den Medien heißen und – soll man sich da wundern? – bei vielen verfangen. Es wäre natürlich zu Verhaftungen und Deportationen patriotischer Ukrainer gekommen, so wie wir es in den besetzten Gebieten sehen. Da die meisten aber geflüchtet wären, sei es in unbesetzte Gebiete oder ins Ausland, wäre das marginal. Nur, ohne Kyjiw und mit einem viel größeren, besetzten Gebiet, hätte es auch nicht die Waffenlieferungen gegeben, so wie sie dann eintraten. Die Restukraine wäre nach und nach von einer russenfreundlichen Administration unterwandert worden, Angst vor Denunzianten würde ein Aufbegehren sehr erschweren.

Und Europa? In großen Reden würde man den Angriff verurteilen, mit erhobenem Zeigefinger ermahnen, weitere hundert Russen auf die Sanktionsliste setzen, mit Putin telefonieren – etwas abwarten und da mache ich jede Wette, nachdem sich die erste Aufregung gelegt hätte, wieder Kontakte zum Kreml und Russlands Wirtschaft knüpfen.

Was wäre von den Russen als nächstes zu erwarten?

Russland würde seine Ziele weiter verfolgen. Mit dem Landzugang zu Transnistrien wäre Moldawien wohl das nächste, vermutlich leichte Ziel. Ansonsten schaut doch, was im russischen Fernsehen die ganzen letzten Jahre und selbst heute noch immer und immer wieder propagiert wird. Nachfolgendes Video muss man sprachlich nicht verstehen, man sieht deutlich, um was es geht.

Russlands Ziel ist zuerst die Wiederherstellung der Sowjetunion, sowie deren Satellitenstaaten und dann eine Zerschlagung der NATO, der EU und sie kämen ihrem Ziel näher: einem Einflussgebiet von Wladiwostok bis Lissabon.

Ein Lackmustest wäre der Überfall auf eines der baltischen Staaten. Narva, drittgrößte Stadt Estlands, direkt an der Grenze zu Russland gelegen und mit 95% russischsprachigen Einwohnern wird von vielen Experten am gefährlichsten eingestuft, das wäre ein möglicher Versuchsballon. Oder die Schaffung einer Landverbindung nach Kaliningrad, dem sogenannten Suwałki-Korridor. Artikel 5 (Bündnisfall) der NATO tritt nur in Kraft, wenn ohne Ausnahme alle Mitglieder zustimmen. Würden sie das? Ungarn? Italien? Türkei? Wir haben ja gesehen, wie diverse Kräfte versuchten, den Beitritt Schwedens und Finnlands zu verhindern. Nur ein einziger Abweichler und die NATO wäre handlungsunfähig.

Nicht vergessen, die russische Führung denkt auf Jahre voraus, nicht in Wahlperioden. Sie kann sich Zeit lassen. So wie jetzt schon mit Desinformation, Fakes und Unterstützung von Parteien (siehe BSW, AfD, die Russenfreunde in der SPD und sogar innerhalb der CDU) versucht wird, weiterhin an Einfluss zu gewinnen, Zwietracht und Misstrauen zu säen, wäre das viel zügiger passiert und es würden immer weitere Keile in die Zivilgesellschaft und zwischen die EU-Staaten getrieben. Dazu die hybride Kriegsführung mit Cyberattacken, Sabotage und Spionage.

Um es etwas abzukürzen: Wenn ich sehe, was die Russen während der letzten 3 Jahre in der Ukraine an Personal und Material verloren haben, was durch die Bank weit über Schätzungen von 2022 hinausgeht; dazu die Euphorie in der Bevölkerung, die Ukraine bezwungen zu haben; sowie den Zustand der westlichen Armeen und vor allem die Einstellung in der Bevölkerung zum Krieg… dann würde ich heute die Russen wenigstens am Rhein stehen sehen. Ihr glaubt das nicht? Schaut die nebenstehende Grafik an. Das war eine Umfrage im März 2022 und ich glaube nicht, dass sich westlich der Oder die Stimmung geändert hätte.

Welche Auswirkungen das auf andere autoritäre Staaten hätte, das behandle ich im zweiten Teil, denn die Auswirkungen bei einem faulen Kompromiss wären dieselben.


 

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