Der Vertrag von Perejaslaw 1654
Der von Bohdan Chmelnyzkyj initiierte und eingegangene Vertrag von Perejaslaw, der ein Bündnis des ukrainischen Kosakenstaates mit Russland beinhaltete, hat selbst heute noch eine große Auswirkung, vor allem auf die Politik Russlands. Die Sichtweise über den Vertrag gehen bei Ukrainern und Russen weit auseinander. Wir werden hier und jetzt den Vertrag einmal genauer anschauen, wie es zu diesem Vertrag kam und wie es mit der Einhaltung(!) desselben aussah.
Vorgeschichte
Als die Mongolen, die sogenannte »Goldene Horde«, im 13. Jahrhundert Europa in Angst und Schrecken versetzte, war es auch das Ende des Reiches der Kyiver Rus. Die Stadt Kyiv und ein Großteil des zu ihm gehörenden Landes – und somit auch ein Großteil der heutigen Ukraine – musste, anders als die nördlichen, unter ihnen das Moskauer Fürstentum, nicht allzu lange unter den Mongolen leiden. Es war im 14. Jahrhundert der Aufstieg Litauens zu einem Großfürstentum, welches die Politik großer Teile Osteuropas bestimmte. Die Litauer, zu dieser Zeit noch Heiden, also nicht christianisiert, waren sehr liberal, Kyiv und die Menschen orthodoxen Glaubens konnten ihre Religion unter ihnen frei ausüben! Darüber schrieb ich schon hier.
Litauen ging dann eine Personalunion mit Polen ein, was noch keine große Auswirkungen auf die Ukrainer im litauischen Gebiet hatte. Das änderte sich mit der Union von Lublin 1569, der Gründung der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Die Dynastie des Königsgeschlechts der Jagiellonen endete, an ihre Stelle trat eine Wahlmonarchie, die wirkliche Macht hatte jedoch der polnische Adel. Und wie wir wissen, waren die Polen schon damals strenggläubige Katholiken. Der Druck seitens der katholischen Kirche auf die orthodoxen „Glaubensbrüder“ nahm immer mehr zu und führte zu blutigen Kämpfen. Dazu kamen noch die Bestrebungen des feudalen Adels auf dem Gebiet der Ukraine, deren Willkür gegenüber den Landbewohnern waren Anlass für eine Reihe von Aufständen – denn die Ukrainer waren ein freies Volk und hatten ja ihre Kosaken!
Es gab eine Reihe von Aufständen, jedoch war es erst Bohdan Chmelnyzkyj, der mit dem Aufstand ab 1648 militärische Siege gegenüber den Polen errang und diese nah an eine Niederlage brachte. Ein Zünglein an der Waage waren die Krimtataren, die aber eigene Interessen verfolgten und mal mit dem und mal mit jenem ein Bündnis schlossen. Als sie ihr Ziel – die Schwächung der Polen – erreichten, ließen sie sich von jenen kaufen und Chmelnyzkyj und seine Kosaken im Stich. Jetzt war guter Rat teuer, die Kosaken brauchten neue Verbündete und es gab nur den einen, oben im Norden. Soviel kurz zur Vorgeschichte. Erwähnen muss ich nur noch, dass Chmelnyzkyj dem polnischen König Casimir verbunden war, der König ihm auch Zugeständnisse machte, welche die polnischen Edelleuten immer wieder brachen. Der polnische Adel und die Katholiken waren es, die ihm keine andere Wahl als den Kampf ließen.
Weiter geht es jetzt mit einer Abschrift aus dem Buch »Die Geschichte der Ukraine« von Johann Christian von Engel, herausgegeben 1796 und somit frei von russischer Geschichtsverfälschung, welches die Grundlage für meine Beiträge bildet, besonders wichtige Passagen hebe ich hervor:
Chmelnyzkyj versammelte noch zu Ausgang des Jahres 1653 seine Starschinen1 und Obersten und legte ihnen die Frage vor: ob sie lieber einem katholischen König gehorchen und mit Mohammedanern in Freundschaft leben, oder von einem rechtgläubigen, mächtigen Monarchen geschützt werden wollten. Die Antwort aller ließ sich voraussehen. Gregor Huljanitzki (eben der nämliche, welcher schon 1652 diesen Schritt geraten, aber damals noch mit dem Kloster dafür gebüßt hatte) mit einigen anderen reisten nach Moskau ab, um dem Zaren Chmelnyzkyjs Entschluss zu hinterbringen. Sogleich ward der Bojar2 Wasilej Wasiljewitsch Buturlin in Begleitung mehrerer Hofleute nach der Ukraine geschickt, mit einer Eile, welche des Zaren Alexei Freude darüber nicht verkennen ließ. Chmelnyzkyj berief hierauf wieder seine Starschinen nach Perejaslaw auf das Fest der Erscheinung Christi 1654 und trug ihnen die neue Schutzangelegenheit vor. Alle stimmten ein; der russische Minister unterschrieb alle Bedingungen, die man verlangte. Nun schworen alle Städte und Dörferweise den Eid der Treue, jauchzten und jubelten, und versprachen sich ein ruhiges, ungekränktes Leben. Um den guten Mut zu vermehren, teilte Buturlin Zobelpelze und andere Geschenke aus. Am 17. Februar reiste der Oberrichter Michailo Bogdanowitsch und der Oberste von Perejaslaw Paul Tetera mit einigen Towarischtschen3 oder Gemeinen ab, um dem Zaren die feierliche Unterwerfungsakte zu bringen, und hingegen die Bestätigungsakte aller Privilegien, die sie von den Großfürsten von Litauen oder Königen von Polen erhalten; zum Teil auch noch neuerlich bei den Unterhandlungen mit dem zaristischen Minister sich ausbedungen hatten, abzuholen. Diese merkwürdige Akte steht dem Auszuge nach in den handschriftlichen Annalen. Merkwürdig ist sie uns deswegen, weil sie den Maßstab abgibt, nach welchem wir das Verfahren der russischen Regenten mit den Kosaken beurteilen können. … Der Inhalt dieser Akte ist demnach folgender:
Bevor wir zu der Akte kommen, noch ein Hinweis. Die Bestätigungsurkunde, die es zweifellos von Zar Alexei gegeben hat, gilt als verschollen. Wie, warum, weshalb… darauf kann sich jeder selbst einen Reim machen! Den russischen Geschichtsschreibern ist diese Tatsache sicher nicht unangenehm? Aber nun zu den Forderungen der Kosaken, denen der Zar zugestimmt hat.
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Die Kosaken sollten sich selbst nach ihren Rechten (und dies waren die Magdeburgischen, welche, dem Handel sowie der Miliz gleich gemäß, den Prozess kurz dauern ließen) durch ihre Starschinen und Towarischtschen richten lassen. Wenn an einem Ort nur drei Kosaken wären, so sollten zwei davon befugt sein, über den dritten zu richten. Kein Bojar, noch irgend ein zaristischer Beamter, sollte sich in ihre Justizangelegenheiten mischen.
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Das Vermögen eines Kosaken sollte heilig sein, der Witwe und den Kindern bleiben. Überhaupt sollten die den Kosaken und Ukrainern von den litauischen Großfürsten und polnischen Königen verliehene Privilegien gelten und uneingeschränkt beachtet werden.
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Der Metropolit von Kiew sollte bloß unter dem Segen des Erzbischofs von Moskau stehen, nicht aber unter dessen Richterstuhle.
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In den ukrainischen Städten und Dörfern, welche nicht ganz mit Kosaken besetzt wären, sollten russische Beamte aufgestellt werden, um den Bürgern und Bauern, keineswegs aber von den Kosaken, Abgaben an Geld und Getreide einzukassieren. Aus diesen Einkünften sollten 60 000 registrierte Kosaken jährlich mit 3 Rubel besoldet werden.
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Der Hetman sollte jährlich 1000 Dukaten als Gehalt und überdies die Einkünfte von Tschigirin genießen. Der Obosnii oder Feldzeugmeister mit seiner Artillerie sollte in Korsun Sitz nehmen, die übrigen Starschinen, die Obersten, die Regiments-Starschinen, die Hauptleute und Fähnriche, sollten nach ihrem Rang bestimmte jährliche Einkünfte beziehen.
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Der Hetman sollte keine auswärtige Gesandte annehmen, sondern an den Zaren weisen. Noch weniger sollte er selbst ohne zaristischen Befehl Gesandte ins Ausland schicken.
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Mit dem krimmischen Khan sollte er keine Gemeinschaft pflegen, sondern nur friedlich mit ihm leben, damit die Tataren nicht in Klein-Russland (diesen Namen sollte also die Ukraine annehmen) einfallen möchten.
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Nach dem Tode des Hetmans sollte ein neuer aus ihrer Mitte von den Kosaken gewählt, und der Erwählte dem Zaren angezeigt werden, damit seine zaristische Hoheit ihn zu sich berufe, und ihn mit einem Kommandostab, Fahne und Bestätigungsdiplom begnadigen könne.
Derselbe Vertrag aus einer anderen Chronik
Im Buch von J. C. von Engel gibt es eine Fußnote zu einer anderen Mit- bzw. Abschrift des Vertrages.
Die Urkunde ist so wichtig, dass wir auch aus Herrn Hofrat Schlötzers Beilagen zum neuveränderten Russland, Riga und Leipzig 1770, Seite 423 den Auszug, den er selbst im Hause des Grafen Rasumowski aus einer glaubwürdigen Abschrift gemacht hat, hersetzen, um ihn mit dem Auszug der Annalen zu vergleichen. „Den 3. März 7162 (das ist der 17. Februar 1654) unter dem Zaren Alexei Michailowitsch hat sich der Hetman Bogdan Chmelnyzkyj, nebst allen Zaporogischen Truppen, Starschinen und Einwohnern von Klein-Russland, deswegen, weil die Polen sie in ihrer Freiheit und griechischen Religion bedrängten, nachdem sie bereits unter dem Zaren Michailo Fedorowitsch und dem Patriarchen Philaret Unterhandlungen gepflogen hatten, auf ewig der russischen Botmäßigkeit unterworfen, und unter eben diesem Datum gewisse Kapitulationsbedingungen (Statja) ausgewirkt, die der Bojar und Statthalter von Kasan, Knjaß4 Alexei Nikitisch Trubezkoi, der Bojar und Statthalter von Twer, Wasilej Wasiliewitsch Buturlin, der Okolnitschei und Statthalter von Kaschir, Peter Petrowitsch Golowin und der Dunmoj Diak Almas Iwanow mit den Zaporogischen Abgesandten Samailo Bogdanow und Pawel Tetera reguliert, und der Zar selbst am 27. März 7162 (13. März 1654) genehmigt und bestätigt hat.“ Diese Statjen betrafen:
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Die Freiheit der Nation, sich Hetmane, Obersten, Sotniken und die übrigen Starschinen aus ihren eigenen Landsleuten zu wählen und dem Zar zur Bestätigung vorzustellen.
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Die Gerichtsbarkeit des Adels, der Kosaken und der Bürger in großen Städten der Nation zu überlassen, ohne dass sich die zaristischen Woiwoden darein mengen dürften: ausgenommen in casu deferentiae per querelam5, da alsdann dem zaristischen Woiwoden6 die Revision übertragen werden soll.
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Die Anzahl der zaporogischen oder kleinrussischen Truppen auf 60000 Mann festzusetzen, die nur in dem Falle, wenn sie außerhalb ihrer Nationalgrenzen zaristische Kriegsdienste leisten, Sold bekommen sollen. Anmerkung: Dieser Punkt ist hernach restringiert7 worden, weil sich die ersten Zaporogischen Unterhändler gegen die zaristischen Bevollmächtigten verlauten ließen, diese Truppen würden sich von Nationalrevenuen8 selbst unterhalten.
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Den Sold der Obersten, Assaulen, Richter und Sotniken.
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Den Besitz adliger Güter denen zu bestätigen, welche unter den Nationaltruppen dienen.
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Die Woiwoden von der Nation zu konstituieren, und zwar solche, die der Rechte der Kosaken kundig wären und Revenuen für den Zar einkassieren könnten.
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Die Stadt Tschigirin und andere Orte, als Allodia11 der Bulawa, oder des Hetmanischen Kommandostabs zu donieren12.
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Von den zaristischen Revenuen die Anschaffung und Reparation der Artillerie, wie auch den Ankauf des Pulvers und Bleies besorgen zu lassen.
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Der Unterhalt der Pferde im Winter in Nationalorten.
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Den Weibern und Kindern der im Kriege gebliebenen Kosaken ihre Güter ohne Abgaben so lange besitzen zu lassen, bis die Kinder selbst dienen können.
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Zaristische eigenhändige und besiegelte Donationsbriefe auf die Güter der Kirchen, Klöster, Edelleute und Kosaken auszufertigen.
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Gleichfalls auf die zum kiewschen Metropoliten gehörenden Güter einen Donationsbrief erteilen.
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Nur in Kiew und Tschernigow zaristische Woiwoden zu konstituieren, oder
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Die Revenuen nach Art der türkischen Administration in Ungarn, der Moldau und der Walachen, durch einen eigentlich dazu gesetzten Mann regulieren und einkassieren zu lassen.
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Wie man sich bei ankommenden fremden Gesandten zu verhalten habe?
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Über den Fisch- und Wildfang verarmter Kosaken.
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Den Unterhalt der 400 Mann Kosaken zur Garnision in der vom polnischen König Wladislaw am Ausflusse des Dneprs erbauten Stadt Kodak.
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Das Dominium13 über den Fluß Samara und einige Güter für das Terechetemirowsche Nationalkloster.
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Zu mehrerer Kränkung der Polen ungesäumt zaristische Truppen nach Smolensk zu detachieren.
Diese Abschrift enthält die wichtigsten Punkte, teils nur als Zusammenfassung. Ich habe einige Punkte hervorgehoben, die ich sehr interessant finde. Hier spricht man von einer Nation, also kann man annehmen, dass das Hetmanat als Kosakenstaat weitestgehend anerkannt wurde?
Weiterhin ist Punkt 14 interessant. Angeblich sollten nur in Kyiv und Tschernihiv zaristische Provinzverwalter eingesetzt werden! Das bitte bei den weiteren Ausführungen im Hinterkopf behalten.
Es war ja das hauptsächliche Ziel Chmelnyzkyjs, mit Hilfe russischer Truppen gegen die Polen zu Felde zu ziehen, siehe Punkt 20. Das tat der Zar, er erklärte den Polen den Krieg. Die Kosaken kämpften gegen die Polen und die Schlachten kosteten Zehntausende von Menschenleben. Interessant, wie es Chmelnyzkyj erging. J. Chr. Engel schreibt dazu weiter:
Chmelnyzkyj ward am 22. Jänner von den Polen mit äußerster Wucht auf dem Felde zwischen Ochmatow und Stawischtscha angegriffen. Die Polen drangen bis an die Wagenburg der Kosaken vor und legten Feuer daran. … 15000 Mann sollen an diesem blutigen Tag geblieben sein, aus den Erschlagenen beider Parteien hätte sich ein ein hoher Wall um das ganze Lager bilden lassen. Den zweiten Tag hielt Chmelnyzkyj noch einen gewaltigen Sturm aus, nach welchem von der deutschen Infanterie der Polen wenig übrig blieb. Chmelnyzkyj zog sich in eine noch engere Wagenburg zurück, und hielt es bis zum 1. Februar aus; aber länger konnte und durfte ers nicht ausdauern. Er und seine Armee hatten weder Holz, noch Wasser, noch Weide; bloß Schnee und Eis blieb ihnen übrig, und dieses mit Blut getränkt. Um also nicht von den Polen gefangen genommen zu werden, wie diese zur Absicht hatten, ließ er eine wandelnde Wagenburg zusammenketten und schlug sich glücklich zur russischen Armee durch, welche nicht weit davon stand, aber wie es scheint, nichts zum Entsatz gewagt hatte, weswegen auch bei Chmelnyzkyj eine gewisse Bitterkeit gegen die Russen, wohl auch wegen russischer Besatzungen in den befestigten Städten (in Kiew, Starodub, Perejaslaw, Nieschin, welche daher auch Garantie-Städte hießen), entstanden zu sein.
Wie wir lesen, war der Vertrag noch kein Jahr alt, als der Zar schon seine gierigen Finger nach der Ukraine ausstreckte, entgegen dem Abkommen! Und die Armee tatenlos zusehen und andere die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen, ist eine ganz spezielle Art der Russen, schon Iwan III. hat diese Art der Kriegsführung seit dem »Stehen an der Ugra« perfektioniert.
Weiter geht es in der Chronik damit, dass beide Seiten in die Winterquartiere zogen. Interessant noch dieser Absatz:
Auch Alexei kehrte, nachdem sich die Epidemie gelegt hatte, in seine Residenz-Stadt zurück, wo er voll guten Mutes und Freude über die gemachten, voll guter Hoffnung noch zu machender Fortschritte, sich den Titel des Selbstherrschers von Groß-, Klein- und Weißrussland beilegte. So galt die Ukraine schon unter dem Namen Klein-Russland für eine Provinz in seinen Augen.
Dieser Absatz braucht keine weitere Erklärung? Ja, so waren die Russen und sind es auch noch heute.
1655 zogen dann die Kosaken und Russen gen Lemberg, dem heutigen Lviv und belagerten diese Stadt, bis Chmelnyzkyj den zur Hilfe eilenden Tataren entgegenziehen musste. Dazu noch ein paar Sätze aus der Chronik:
Ehe wir ihm nachfolgen, müssen wir noch einiges von der Lemberger Belagerung melden, welche uns über die damalige Stimmung der Kosaken in Rücksicht auf die Russen Aufschluss geben kann. Am 19. September erschien Chmelnyzkyj mit Buturlin vor Lemberg. Außer Buturlin waren noch Gregor Sachnowitz, Fürst von Mirobrod und der Fürst Romodamowski die Befehlshaber der Russen. Als die Abgeordneten der Stadt ins Lager kamen, um wegen Aufhebung der Belagerung zu kapitulieren – so fanden sie den Chmelnyzkyj in seinem Zelt mit kreuzweise zusammengeschlagenen Beinen. … Der bei Grodek gefangene Potocki wurde vorgeführt und von den Russen verspottet. Er sagte ihnen aber ins Gesicht, dass sie in derselben letzten Schlacht geflohen wären, wofern nicht das Fußvolk der Kosaken sie der Flucht und der Schande entrissen hätte.
Dieses schienen die Kosaken mit versteckter Freude zu hören. Buturlin erklärte endlich, die Stadt müsse sich dem russischen Zaren ergeben. Dies wollten die Lemberger durchaus nicht; sie beharrten in der Treue gegen ihren König und machten den Kosaken das Kompliment, sie hofften, dass noch gerade durch die Kosaken ihr König aus der Verlegenheit gerissen werde. Paul Tetera raunte den Abgesandten ins Ohr, sie sollten nur bei ihrer Antirussischen Erklärung beständig verharren, und Wigowski schrieb ihnen das nämliche heimlich.
…
Am 8. November marschierte Chmelnyzkyj, am 10. das russische Lager ab. Chmelnyzkyj nahm von der Stadt einen militärisch pomphaften Abschied, und seine zahlreichen gut geordneten Regimenter – ein Leibregiment führte Chmelnyzkyj selbst auf einem schönen Pferde an – gewährten den Lembergern einen prächtigen Anblick.
Vergleicht man all diese Umstände mit den Aussagen der polnischen Schriftsteller, dass Chmelnyzkyj den Lemberger Kommandanten erklärt habe, er sei ein treuer Diener Casimirs und werde zum Beweis hiervon mit seinen Kosaken von Lemberg abziehen; dass er die Moskauer zur Abbrechung des Lagers vor Lemberg bewogen, und unter der Hand mit den Tataren eine Verbindung eingegangen wäre: so sind zwar alle diese Nachrichten übertrieben, aber soviel scheint doch wahr zu sein, dass es den Chmelnyzkyj etwas gereuen mochte, hauptsächlich durch den Einfluss der Geistlichkeit mit den Russen sich soweit eingelassen zu haben. Seine Hauptratgeber Wigowski und Tetera waren Anti-Moskauisch gesinnt. Die Russen waren eben so gebieterisch als mächtig, sie hatten die festen Örter der Ukraine ohne weiteres besetzt, und hatten weder bei Stawischtscha noch Grodeck hinlänglichen Mut oder Ernst gezeigt, den Kosaken mitkämpfen zu helfen.
Am 15. August 1657 starb Bohdan Chmelnyzkyj in Tschigirin. Es gab sogar Gerüchte, dass er von einem Polen vergiftet wurde. Denn er wurde zusehend matter und kraftloser.
Mit allem militärischen Pomp, aber auch mit den noch weit ehrenvolleren Tränen der Anwesenden, ward sein Körper in die Gruft jener steinernen Kirche zu Subotiv begleitet, welche er selbst erbaut und schön ausgeschmückt hatte. Die Grabschrift, welche die Annalen setzten, ist kurz und einfach: „Er war ein vortrefflicher Mann, vollkommen würdig, der erste unter den Kosaken zu sein. Kühn, aber vorsichtig, aufgeweckt, aber Wahrheitsliebend, litt er für das allgemeine Beste alle Beschwerlichkeiten, ohne sich zu achten, war er der erste in der Schlacht, der letzte zur Flucht.“
Was sagen ihm aber die Polen nach? So endigte, schreibt Kochowski, der schlimme und unbeständige Mann, dessen Glück größer war, als der Mann selbst, der nie auf das Lob der Treue und auf Nachruhm gehalten hat.“
Welche von beiden Grabschriften sich mehr der Wahrheit nähere, wird der Leser im Stande sein, aus dem Vorausgeschickten selbst zu beurteilen. Was aber auch beide Teile sonst behaupten mögen, darin kommen sie doch überein, dass er ein Genie, ein Mann von Kopf gewesen sei. Könnte man noch nach dem Überblick der erzählten Begebenheiten hieran zweifeln, so würde man bald durch die folgende Geschichte der Kosaken überzeugt, welche zu einem schaudervollen Gemälde von Kleindenkerei, Niederträchtigkeiten und Grausamkeiten wird, weil kein geistvolles Oberhaupt da war, welches die so sonderbar organisierte Maschine zusammenhielt, welches die so sonderbar, oder vielmehr so unglücklich gelegene, von so vielen kämpfenden Mächten eingeengte Ukraine durch alle Stürme unversehrt durchführte.
Die letzten Sätze über die Zukunft der Kosaken sagen viel aus. Ja, die Nachfolger Chmelnyzkyjs hatten oft eigene Interessen mehr im Blick als das Wohl der Ukraine. Durchweg aber gab es immer ein Misstrauen gegenüber den Moskowitern, immer wieder suchte man den Kontakt zu Polen, sprich, dem westlichen Europa! Denn dorthin fühlte man sich gehörig. Ich werde auch noch den Hetman Mazepa unter die Lupe nehmen, der zusammen mit den Schweden gegen die Russen kämpfte, für die Ukraine. Leider endete der Traum bei der Schlacht von Poltawa und die Russen zeigten endgültig ihr wahres Gesicht.
Resümee und Schlussfolgerungen für die heutige Zeit
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Zwist mit Polen zu einem nicht unerheblichen Teil von der katholischen Kirche und ihrer Machtbesessenheit ausging und der Vertrag von Perejaslaw wiederum von Geistlichen der orthodoxen Kirche eingefädelt wurde. Und dann der große Widerspruch in der Gesellschaft. Auf der einen Seite der feudale Adel in Polen, die Monarchie der Moskowiter mit seinen Bojaren – beide betrachteten das Bauernvolk als Knechte, als Leibeigene – auf der anderen Seite die freien Kosaken, die ihrer Zeit gut zwei Jahrhunderte voraus waren. Vielleicht war das der Grund des Scheiterns?
Betrachtet man die heutige Situation, so hat sich Polen positiv entwickelt. Die Kosaken gibt es nicht mehr, die Ukrainer haben diese aber nicht vergessen und vor allem lebt ihn ihnen der Wille zu einem Leben in Freiheit und Selbstbestimmung fort.
Das heutige Russland zehrt noch von einer gewissen Gleichstellung und Bildung der Bürger aus der Sowjetära, entwickelt sich aber atemberaubend schnell wieder zurück in die überwunden geglaubten, finsteren Zeiten. Zu lange war das russische Volk geknechtet worden, es war nie richtig frei, auch nicht unter den Sowjets. Es hat nie vom süßen Kelch der Freiheit getrunken, Russen kennen es nicht anders und verlangen immer wieder nach einem starken Führer, der alles für sie richtet. Ja, das russische ist ein schwaches, zurückgebliebenes Volk. Moral, Toleranz, Ehrlichkeit, Mitleid – all das empfinden sie als Schwäche. Die Demonstration von Macht, von Stärke ist das alleinige Maß, Lügen ein legitimes Mittel. Verträge mit ihnen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Schreien aber Zeter und Mordio, wenn man ihren Vertragsbrüchen nicht tatenlos zusieht. Der Vertrag von Perejaslaw ist das beste Beispiel.
Was die Ukraine betrifft, so war das Besetzen der Städte und das unberechtigte Erheben von Steuern für den Zaren nur der Anfang. Dazu aber ein andermal mehr darüber hier auf Ukraweb. Für heute solle es erst einmal genug sein. Wer Interesse an der Geschichte der Ukraine hat, über das Menü Projekte → Ukraine Historie kommt ihr auf eine Seite mit allen bisherigen Beiträgen zur Geschichte.
1Soviel wie Offizier
2Adelige unterhalb des Ranges eines Fürsten
3Damals so etwas wie ein Beamter
4Fürst
5im Falle einer Beschwerde, einer Anfechtung des Urteils
6Beamteter Provinzvorsteher
7eingeschränkt
8Nationaleinnahmen
9verpachtet
10Besitztum
11Besitz mit allen Rechten
12Schenken, Donationsbrief = Schenkungsurkunde
13ein Komplex von mehreren Herrschaften und Gütern
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