Bautagebuch Teil 3 – Das Dach kommt, kommt nicht, kommt …

… und das Problem mit einheimischen Lieferanten, Handwerkern und den orthodoxen Feiertagen. Hier eine kleine »Zutatenliste«, wenn man baut und auf fremde Hilfe angewiesen ist. Da braucht man: gute Nerven, eine lange Tischkante zum reinbeißen und eine große Portion Durchsetzungsvermögen. Ich versuche es so lustig wie möglich rüberzubringen, teilweise war es dann aber doch zum Haare raufen. Wer eine sanfte Seele hat, alles durchgehen lässt und sich nicht durchzusetzen weiß, kommt nie ans Ziel.

Und da muss ich mal meine Frau loben. Da hat sie Haare auf den Zähnen und weiß genau, wann man Honigsüß reden und wann man etwas rabiater auftreten muss. Sie kennt ihre Pappenheimer und ist eine erstklassige Managerin. Ohne sie würden wir nie und nimmer schon jetzt in dem Haus leben. Dafür drücke ich auch ein Auge zu, wenn sie es mit den Gewächsen, die man nicht essen und nicht rauchen kann übertreibt. Sie liebt halt Blumen und Ziersträucher.

Schon kurz nach dem Hauskauf ging es los mit der Suche nach Handwerkern, dem Einholen von Angeboten, usw. Das Problem ist nicht, dass die Ukraine keine guten Handwerker hätte. Das Problem ist, dass man diese erst einmal finden muss und von denen wiederum viele jetzt ihr Brot in Polen oder bei den Tschechen verdienen! Da ist dann die Auswahl begrenzt und nebenbei erwähnt, das treibt auch die Preise in die Höhe.  Irgendwie hat es meine Frau dann doch geschafft, dass eine Brigade Dachdecker bereit war, uns in den gut gefüllten Terminkalender noch mit aufzunehmen.  Zu Fünft kamen sie und haben sich alles angeschaut und uns dann eine Materialliste übergeben. Wenn das da ist, sollen wir uns wieder melden, sie kämen dann sofort. Vor allem stand auf der Liste Holz in verschiedenen Größen.

Keine 200m von uns entfernt ist ein kleines Sägewerk, natürlich wollen wir so gut es geht mit Einheimischen zusammenarbeiten. Er nahm den Auftrag auch an, das Holz sollte Ende Juli geliefert werden. Das kam aber nicht. Anruf – ja, es gibt Probleme mit der Rohholzlieferung. Dauert noch drei Tage. Gut, kann passieren, drei Tage sind nicht schlimm. Nach drei Tagen, es war ein Donnerstag,  wieder angerufen. Jaaa, das Holz ist da, aber heute ist »Prazdnik« (Feiertag) und morgen arbeiten wir auch nicht, ruft Montag noch einmal an. Häh? Was soll das denn für ein Feiertag sein? Ah, ein kirchlicher Feiertag zu Ehren eines Schutzheiligen. Und an dem Tag sollte man auch nicht bohren, hämmern und sägen. Nun gut…

Irgendwann und nach weiteren Telefonaten lag dann mit zwei Wochen Verspätung an einem Dienstag das Holz im Hof. Wir riefen sogleich die Baubrigade an und was bekamen wir zur Antwort? Mit dem aktuellen Bau sind wir morgen fertig, das passt. Aber Donnerstag ist doch wieder »Prazdnik«, vor Montag wird da nichts. Boah! Was geht denn hier ab? Wieder war ein Tag da, an dem zu Ehren eines Schutzheiligen die Gläser tanzten – und die Männer wohl eine dreitägige Erholungsphase brauchten.  Meine Frau drängte dann etwas entschiedener und man wollte dann doch am Samstag schon kommen. Dieses Spiel mit dem »Prazdnik« wiederholte sich dann noch zweimal. Seltsam war vor allem eines. Alle Firmen arbeiteten, die Geschäfte hatten geöffnet und die Busse fuhren auch ganz normal. Nur die Handwerker scheinen äußerst gottesfürchtig zu sein.

Übrigens, dieses Problem mit den Ukrainern und ihren Feiertagen ist nichts Neues. Die hatte schon der Zar dazumal. Hier gibt es eine recht interessante Geschichte dazu.

Noch ein Wort zu den Helfern, von denen wir im Laufe der Umbauphase mehrere hatten. Der Erste arbeitete ganz gut, bis er sein Geld bekam. Dann sahen wir ihn zwei Tage nicht, am dritten kam er mit mächtiger Alkoholfahne. Danke, Tschüss. Der nächste war kein Trinker, machte seine Probearbeit ordentlich, wir machten auch einen für ihn guten Stundenlohn aus. Das war ein Fehler. Nach zwei Tagen war es soweit, dass ich ihm während dem Laufen die Schuhe zubinden könnte. Wir verabschiedeten ihn dann.

Beim Dritten war es etwas traurig. Er war auch nicht der Schnellste, körperliche Arbeit für ihn ungewohnt. Nun, er trank nicht, wenn er arbeitete und auch nicht am Tag davor. Die Frau hatte ihn verlassen, den Job als Fahrer verloren, er war einsam, trank nur aus Langeweile. Ich konnte ihn gut für einfache Arbeiten einsetzen, vom Handwerk hatte er keine Ahnung. Wie auch, eine Ausbildung hatte er als Kulturhausleiter. Aber wir beschäftigten ihn, wenn es Arbeit gab und machten dafür einen Festlohn aus. Da konnte es mir egal sein, wie lange er braucht. Wir hatten in ihm dann auch einen guten „Winterdienst“. Ab Mitte November gab es ja schon Schnee. Wenn wir kamen, war schon alles geräumt. Leider hatte ich zu der Zeit keine weitere Arbeit für ihn. Und dann im Dezember, als es Nachts schon mal -15°C hatte, fand man ihn mit einer Wodkaflasche in der Hand erfroren vor dem Tor eines Freundes.

Ja, Russen und Alkohol sind der Ukraine größter Feind. Wobei ich bei der jüngeren Generation von Handwerkern einen positiven Trend sehe.  Ich will jetzt nicht vorgreifen, unser Wasser- und Heizungsmonteur und seine Kumpels, mit denen er den Estrich machte, haben mich dann wieder sehr positiv überrascht, von der Qualität ihrer Arbeit und der Einstellung zum Alkohol. Aber soweit sind wir noch nicht, heute geht es ja um das Dach und weil es dieselbe Bautruppe machte, den Austausch der Fenster. Dazu habe ich wieder ein Video für Euch:

 

Zusatzinfos Fenster

Nicht alle Fenster sind zum öffnen. Ist bei der Menge auch nicht nötig. Aber zu allen Fenstern, die man öffnen kann gehört ein Fliegengitter, was sehr praktisch ist. Und es macht preislich nicht viel aus, darum haben wir Fenster mit Dreifachverglasung genommen. Das merkt man positiv im Winter und auch der Schallschutz ist enorm. Inklusive Montage kosteten die 11 Fenster 26 000 UAH, also zum damaligen Kurs etwas über 800 Euro.

Bei der Montage gab es ein bisschen Ärger. Einige Fenster waren schief montiert, was man auch mit bloßem Auge sah. Da mussten die beiden Monteure noch einmal ran. Sie waren davon natürlich nicht begeistert und zeigten mir mit einer ihrer neu gekauften Wasserwaagen das Gegenteil. Hm, mein Augenmaß und auch meine Wasserwaage waren da ganz anderer Meinung. Ich machte dann mit ihrer Wasserwaage eine Umschlagmessung. Das Teil war Schrott und die Beiden auf einmal ganz ruhig.  Auf 80cm gab es einen Zentimeter Unterschied!  Beim nächsten Besuch im Epicenter, dem größten Baumarkt in Tscherkassy habe ich dann mal verschiedene Wasserwaagen getestet – alle aus dem unteren Preissegment waren Schrott. Soviel zur Qualität »Made in China«… Und das wird generell immer schlimmer hier. Fehlende Kontrollen beim Import und die Abwesenheit eines wirksamen Verbraucherschutzsystems spürt man immer mehr. Nicht nur im Handwerk. Aber das nehme ich mir mal als separates Thema vor.

Zusatzinfos Dach

Interessant ist das Dachblech. Wie man im Video und auf dem Bild rechts sieht, sind das unterschiedlich lange Bahnen. In Tscherkassy gibt es eine Firma, welche diese auf Wunschmaß direkt herstellt. Mit den Dachmaßen geht man dort ins Büro, am PC wird mit einem Spezialprogramm das Dach berechnet. Man kann aus einem großen Sortiment Farben und auch aus verschiedenen Formen wählen. Aus großen Rollen Blech werden dann die Bahnen in der jeweiligen Form gepresst und geschnitten. Von der Bestellung bis Lieferung dauerte es eine Woche, da war ich doch sehr erstaunt.

Nachteil an unserer gewählten Form war, dass die Bleche nur in einer Richtung verwendet werden können und durch die Dachform somit sehr viel Abfall entstand. Das war mir aber erst nach Montage bewusst, sonst hätte ich ein einfaches Trapezblech gewählt. Die ganzen Dacharbeiten haben uns inklusive Material und Arbeitslohn 56 000 UAH gekostet, das entspricht 1750 Euro – da kann man nicht meckern.

Ich muss aber anmerken, dass die Preise für Material und Arbeitslohn aktuell fast monatlich steigen. Wir hatten das schon gemerkt zwischen erster Anfrage und der Bestellung einen Monat später. Da stieg der Quadratmeterpreis um 20 UAH, ca. 80 Cent. Und erst kürzlich hat in unserer Straße einer sein Dach in derselben Art erneuern lassen. Die Dachfläche ist zwar etwas größer, aber ich habe schon gestaunt, dass es 100 000 UAH gekostet haben soll.


 

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