Heute ist der Gedenktag an den Holodomor
Holodomor - wer die Geschichte dahinter kennt, bekommt schon bei Nennung dieses Wortes ein frösteln. Ich möchte hier und jetzt nicht auf die Grausamkeiten eingehen, welche Stalin und seine bolschewistischen Schergen hauptsächlich dem ukrainischen Volk angetan haben. In den Jahren 1932/33 wurden auf Stalins Anweisung die Ukrainer systematisch ausgehungert. Man geht von mehreren Millionen Toten aus, die Zahlen schwanken zwischen 4 und 11 Millionen. Eine genaue Zahl wird man wohl nie erfahren. Der Holodomor war ein Genozid am ukrainischen Volk. Das Tragischste ist, dass dieser von Russland nach wie vor und besonders wieder in der heutigen Zeit verleugnet wird und mehrere, vor allem europäische Länder wider besseren Wissens diesen Völkermord nicht anerkennen. Denen stehen die Beziehungen zu Russland näher als die Wahrheit. Unter ihnen leider auch Deutschland...
Wer sich näher mit dem Holodomor befassen möchte, findet am Seitendende ein paar interessante Links für einen Einstieg. Nein, was ich heute erzählen möchte, ist kurz nach dem Holodomor passiert. Ich stellte mir schon immer die Frage, wie konnten die Kommunisten das vertuschen; vor den anderen Menschen in diesem riesigen Reich verbergen? Die Antwort lautet: Lügen und eine infame Propaganda. Wir waren Anfang November mit Freunden unterwegs, auf der anderen Seite des Dnipro in Chapaievka (Чапаєвка). Dieses Dorf mit etwas über 3000 Einwohnern hat eine besondere Geschichte, die ich Euch heute erzähle.
Богушкова Слобідка – Bohushkova Slobidka, so hieß das Dorf bis 1923, bevor es den Namen eines „Helden“ der Roten Armee bekam, erlangte Mitte der 30er Jahre im Sowjetreich große Aufmerksamkeit und ist ein markantes Beispiel der stalinistischen Propagandamaschine. Die Zeitungen berichteten immer wieder, dass die neuen Kolchosen Millionen scheffeln, die Dörfer in der Ukraine in absolutem Überfluss leben und alle Vorteile des sowjetischen Systems genießen. Um das zu beweisen, wurde unter anderem Chapaievka auserkoren. Man baute eine große Schule, ein Pionierlager, ein Kulturzentrum – und ohne Beispiel in dieser Zeit – ein Stadion mit Tribünen und 5000 Sitzplätzen! 112 000 Rubel hat das Stadion gekostet – damals eine riesige Summe, aber »eine Kleinigkeit« für so eine reiche Kolchose…
Am 26. Juni 1936 war die Einweihung. Das Dorfteam durfte als Erstes als „ländliches Team“ an den Pokalspielen der UdSSR teilnehmen. Und wen schickte man zum Eröffnungsspiel? Die damals beste Mannschaft »Hammer und Sichel« aus den Moskauer Hüttenwerken. Im ganzen Land, in allen Zeitungen wurde von dem bevorstehenden Spiel berichtet. In einem Interview sagte sinngemäß der Kapitän der Moskauer, Fjodor Selin:
Wir schicken unsere besten Spieler nach Chapaievka, um den jungen Spielern der Kolchose eine Probe technisch versierten Spieles zu geben. Nach dem Spiel werden wir gemeinsam mit dem Team Chapaievka unser Spiel analysieren.
Und es war wirklich das stärkste Team, was man aufbieten konnte. Die Spieler von Chapaievka hatten absolut keine Chance und das lag wohl auch nicht in der Absicht der Strippenzieher. Und so sah dann auch mit 0:15 das Ergebnis aus. Die Spieler aus Moskau erhielten dann auch noch jeder ein großes Glas frischen Honigs, für die damalige Zeit war das ein sehr reiches Geschenk.
Nein, es gab kein Gedenken, es gab keine Trauerfeier für die Opfer des Holodomor. Selbst die Überlebenden wurden gedemütigt, verhöhnt und für Propagandazwecke schamlos missbraucht. Was blieb von diesem Wahnsinn? Seht selbst, hier sind ein paar Bilder, die ich von dem Stadion machte:
Der Holodomor wird nie vergessen werden. Wir haben heute, wie viele andere Ukrainer, zum Gedenken eine Kerze im Fenster stehen.
Wie versprochen, hier noch ein paar Links zu dem Thema und Quellangaben:
- Grundlage für diesen Text fand ich hier. Auch die alten Bilder stammen von dieser Seite und es gibt noch mehr dort zu finden
- Das Deutsch Ukrainische Zentrum zum Thema Holodomor
- Wikiartikel auf Ukrainisch über Chapajewka
- Infos zum Holodomor der Bundeszentrale für politische Bildung
- Eine sehenswerte Doku aus Kanada zum Holodomor mit Zeitzeugen! (engl.)
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http://osteuropa.lpb-bw.de/luedemann_stalins_feldzug.html
http://www.ucrdc.org/Film-Harvest_of_Despair_annotated.html
Dieser Dokumentarfilm befindet sich unter dem Titel "Harvest of Despair" - The 1933 Ukrainian Holodomor Famine Genocide - bei YouTube.
https://www.youtube.com/watch?v=M_dnRA5NFhs