Wie wurde man Millionär in stalinistischen Zeiten? Teil 2

Aktenbild des PavlenkoIn der Nachkriegszeit gab es in der Sowjetunion nur eine Region, in der die Staatsmacht schwach war – die Westukraine. Hier dauerte der bewaffnete Kampf der „Banderowzy“ gegen das kommunistische Regime noch bis weit in die 50er Jahre an. Pavlenko kam nach Lviv und nahm Kontakte zu seinen alten „Aktionären“ auf. Auch Rudnichenko und Konstantinow waren mit dabei. Sie gründeten nach bewährtem Schema eine neue „Militärische Bauverwaltung“, rekrutierten Arbeiter, beschafften Ausrüstung und machten sich an die Arbeit. Das neue Geschäft expandierte schnell. Innerhalb von 4 Jahren war es ein riesiges Gebilde, heute würde man sagen: ein erfolgreicher Konzern, mit Hauptsitz in Chișinău (Moldawien) und Niederlassungen in 5 weiteren Sowjetrepubliken. Sie bauten Straßen, Brücken, Gebäude, mit über 300 Angestellten.

Was war das Geheimnis des Erfolges? Zum einen hatte Pavlenko gute Verbindungen bis in die Ministerien, ja, sogar das Ministerium für Staatssicherheit sorgte mit Sicherheitspersonal und Waffen für Schutz vor den „Banderowzy“. Zum anderen kontrollierte Pavlenko persönlich die Bauvorhaben und war dabei kompromisslos. Er bezahlte alle gut und nach Leistung, und spendierte auch mal am Ende der Schicht ein Fass Bier. Termingerechte Übergabe und hohe Qualität schufen Vertrauen. Allein in der Ukraine bekam Pavlenko 64 Aufträge mit einem Gesamtwert von fast 40 Millionen Rubel! Die „Aktionäre“ machten so viel Geld, dass die Kriegsbeute aus Deutschland wie kleine Fische wirkte.

Und das war dann auch der Anfang vom Ende. Mit so viel Geld konnte nicht jeder umgehen. Pavlenko war sich dessen bewusst, aber das hier war für ihn wie eine Ersatzfamilie. Immer wieder musste er seinen Leuten aus der Patsche helfen. Sei es, dass sie in Restaurants randalierten oder betrunken jemanden überfahren haben, immer wieder konnte er mit Geld Unheil abwenden. Aber dieses Gefühl für Straflosigkeit sorgte für eine sinkende Disziplin und es war nur eine Frage der Zeit, bis dieses Kartenhaus zusammenbrach. Und das passierte dann auch 1952. Ein Zivilarbeiter, der sich betrogen fühlte, schickte eine Beschwerde an Marschall Woroschilow und teilte diesem mit, dass Oberst Pavlenko entflohene Gefangene und ehemalige Nazi-Kollaborateure beschäftigte.

Im Militärbezirk der Karpaten begannen Staatsanwälte mit den Ermittlungen. Was war das für eine Überraschung, als heraus kam, dass Pavlenkos Militäreinheit in Wirklichkeit gar nicht existierte! Diese kolossale Struktur mit Niederlassungen in sechs Republiken, hunderten von Angestellten, Tonnen von Ausrüstung, zwei Dutzend Bankkonten, einem Millionenumsatz und einer riesigen Anzahl abgeschlossener Projekte war ein „Scherz“, von der in keiner Datenbank des Ministeriums eine Spur zu finden war. Nun fand man auch heraus, dass Pavlenko 1948 wegen Veruntreuung der Gelder von Planderstroy auf der landesweiten Fahndungsliste stand. In Moskau gab es einen Schock! In dem strengen Polizeistaat Stalins existierte eine riesige Militärstruktur, die Millionen verdiente, und das Schlimmste – mit kapitalistischen Strukturen im Herzen eines sozialistischen Systems perfekt funktionierte.

Ein spezielles Ermittlungsteam wurde zusammengestellt und sie hatten einiges zu tun. Zweieinhalb Jahre ermittelten sie, bis es am 10. November 1954 zum Prozess kam. Die Verlesung der Anklage dauerte mehrere Tage. Pavlenko und 16 seiner engsten Mitarbeiter wurden angeklagt. Die drei Hauptanklagepunkte betrafen: Untergrabung der Staatsindustrie, antisowjetische Hetze und Beteiligung an einer konterrevolutionären Organisation. Pavlenko gab seine Wirtschaftsverbrechen zu, erklärte aber, nie das Ziel gehabt zu haben, eine antisowjetische Organisation zu schaffen.

Unglaublicherweise wurde er von dieser Anklage auch freigesprochen, der Rest war schon genug. Am 4. April 1955 wurde das Urteil verkündet: Die 16 Mitarbeiter wurden zu Haftstrafen von 5 bis 20 Jahren verurteilt. Pavlenko hatte weniger Glück. Ihn traf die volle Wucht des Gesetzes und wurde zur Höchststrafe verurteilt. Das hieß, dass er kurz nach Verkündung des Urteils von einem Erschießungskommando hingerichtet wurde.

Pikant an der ganzen Geschichte ist noch, dass Breschnew in größter Gefahr war. Zu der Zeit war er Erster Sekretär der Kommunisten in Moldawien und hatte wohl Verbindung zu Pavlenko. Stalin plante eine neue Säuberungsaktion auf Grundlage wirtschaftlicher Kriterien, Breschnew hätte da auf der Anklagebank großartig ausgesehen. Es war sein Glück, dass es dazu nicht mehr gekommen war.

zu Teil 1

Quellennachweis: Ukrainian Week und Feldgrau.info


 

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