Das Warenangebot, Einkaufskultur und Zahlungsmöglichkeiten in der Ukraine
Unsere Feriengäste fragen uns häufig, was sie vor allem an Lebensmitteln mitnehmen sollten, was es denn hier in der Ukraine nicht gibt. Meine Standardantwort ist dann ganz einfach: Es gibt in der Ukraine (fast) alles. Man wird kaum etwas vermissen und man kann sich darauf freuen, auch einige neue Sachen kennenzulernen. Heute schauen wir mal, wie in der Ukraine eingekauft wird, wie es mit Onlinebestellungen und mit dem Produktangebot aussieht und wie sich das in den letzten 10 Jahren entwickelt bzw. auch geändert hat. Klar, das sind jetzt wieder persönliche Eindrücke aus der Zentralukraine, das kann in Lviv, Odesa, Charkiw oder Mariupol schon wieder ganz anders aussehen.
Wenn ich unseren Gästen sage, dass es in der Ukraine »fast« alles gibt, so kommt dann als Zusatz noch – und das ist wichtig: Falls ihr spezielle Medikamente benötigt, bringt diese mit! Und wenn ihr zum Beispiel nur eine spezielle Kaffeesorte vertragt (was schon vorgekommen ist), dann bringt Euch auch diese mit. An dieser Stelle gleich ein Aufruf an Euch, liebe Leser – gibt es bei Euch etwas, was Ihr in der Ukraine vermisst und extra mitbringt?
Nach fast 10 Jahren Ukraine ist unsere Wunschliste, was Mitbringsel aus Deutschland betrifft, ganz schön geschrumpft. Immer mehr sieht man jetzt europäische Produkte auf den Markt drängen, auch hiesige Firmen haben die Trends erkannt und ihre Produktpalette erweitert oder angepasst. Und wen es interessiert, auf dem Bild rechts, das ist unser aktueller Dauerwunschzettel.
Ein Manko in der Ukraine ist, dass es hier kein gestandenes, privates Bäcker- und Metzgerhandwerk gibt. In den Städten gibt es für Brot, Konditorwaren und Wurst Großkombinate, die auch das Umland versorgen. Aber zumindest ins Backhandwerk kommt Bewegung. Die Kombinate haben ihr Sortiment erweitert, neben Schwarz-, Misch-, Grau- und Weißbrot sowie einfachen Brötchen bieten sie jetzt viel mehr Brotsorten an, Sesambrötchen, Käsestangen und Baguettes sind mittlerweile Standardangebot und es gibt jetzt sogar Berliner (Krapfen oder wie der Sachse sagt »Pfannkuchen«). Und die Qualität ist ganz ok. Dazu kommt, dass in den größeren Geschäften und Supermärkten immer mehr Backshops entstehen. Anders als in Deutschland, backen die nicht immer nur Fertigware auf. Die ich kenne, produzieren alles selbst. Auch das Tortenangebot hat sich wesentlich verbessert und an Vielfalt gewonnen. Trotzdem habe ich immer noch den Eindruck, dass die Konditoren sehr verliebt in Zucker sind. Manchmal wäre weniger mehr. Was Wurstwaren betrifft, so sind einige Geschäfte entstanden, deren Auswahl aus allen Landesteilen kommt, die Vielfalt und Qualität erstaunt sogar unsere Feriengäste.
Wer Bonbons, Konfekt und Kekse mag, für den ist die Ukraine ein Schlaraffenland. Denn das können sie und die Auswahl ist einfach riesig. Roshen – die Firma des Ex-Präsidenten Poroschenko – bekommt jetzt endlich Konkurrenz auf dem Schokoladenmarkt. Selbst in kleineren Läden findet man nun vor allem polnische Schokolade, die von Geschmack und Preis her dem Schokokönig den Kampf ansagt.
Einkaufen kann man in den Städten in Supermärkten, die den europäischen in nichts nachstehen und es gibt noch eine rege Marktkultur. Auf diesen Märkten, dem »Ринок« gibt es alles, vom Nagel, Schraubenzieher, Anglerbedarf, Hühner-, Enten-, Gänseküken über Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch bis hin zu Baumaterialien und natürlich jede Menge Kleidung. Dort gibt es professionelle Verkäufer und Privatverkäufer, die vor allem aus den Dörfern kommen und hier ihren Überschuss feilbieten bzw. ihr Einkommen aufbessern. Auch wir haben schon diese Möglichkeit genutzt und in der Erntezeit den ein oder anderen Hriwna verdient. Und es ist aktuell nicht absehbar, dass die Supermärkte diese Märkte verdrängen. Das Preisniveau ist ausgeglichen. Der »Feind« dieser Märkte kommt aus einer anderen Ecke. Falls hier wirklich alle EU-Gesetze umgesetzt werden und vor allem das Brüsseler Bürokratiemonster zuschlägt, kann dies das Ende dieser langen Tradition bedeuten. Hoffen wir, dass sich die Ukraine da nicht über den Tisch ziehen lässt!
Auch in den größeren Dörfern gibt es Supermärkte, die sind dann eine Nummer kleiner, das Angebot durchaus zufriedenstellend. Und dann gibt es an jeder Ecke die kleinen Tante Emma-Läden. Hier in Sahunivka mit ca. 3000 Einwohnern zähle ich aktuell sieben solcher Lebensmittelgeschäfte. Da wird man noch persönlich bedient und die haben noch ein Flair und einen Service, was man so in Deutschland gar nicht mehr kennt. Da kennt man sich mit Vornamen und kann sogar anschreiben lassen. In älteren dieser »Magazine« – so nennt man diese kleinen Läden – rechnen die Verkäuferinnen sogar noch mit dem Abakus, einfach genial!
Interessant ist die Ukraine auch für Menschen, die bei Kleidung auf Markenartikel stehen. Es ist schon erstaunlich, aber in Tscherkassy gibt es mehrere dieser großen Einkaufstempel oder neudeutsch »Malls«, die rege besucht und genutzt werden. Gerade unsere jugendlichen Gäste decken sich da mit angesagten Artikeln ein, das sind keine Plagiate, man spart aber gut und gerne 30% von dem, was man in Deutschland dafür zahlt.
Als Letztes möchte ich noch erwähnen, dass es in der Ukraine kein Ladenschlussgesetz gibt. Die meisten Geschäfte haben auch ganz normal Sonntags geöffnet. Ja, in Tscherkassy gibt es Supermärkte, die haben sogar rund um die Uhr geöffnet! Der Ostersonntag ist der größte Feiertag in der Ukraine und selbst da haben nicht alle Geschäfte geschlossen. Wenn uns Sonntags die Langeweile überkommen sollte, fahren wir gerne ins Epicenter, den größten Baumarkt der Umgebung. Und ich muss sagen, da kann man sich dran gewöhnen.
Ein Wort zum Onlinehandel
Die in Deutschland bekannten Platzhirsche ebay, Amazon und PayPal gibt es in der Ukraine nicht. Trotzdem gibt es gute Möglichkeiten, Online einzukaufen. Gerade in der Westukraine haben sich Firmen darauf spezialisiert, die Ukraine mit diversen Gütern zu versorgen, die es hier nicht gibt. Die werden dann aus Polen besorgt und verschickt. Suche ich etwas spezielles, in letzter Zeit war das diverses Zubehör zur Weinherstellung und was ich lange vergeblich suchte: Pökelsalz! Das bekommt man alles Online. Erste Anlaufstelle sind dafür prom.ua und olx.ua. Eine Art Amazon-Ersatz ist rozetka.com.ua und bisher war ich sehr zufrieden mit dem Angebot und der Lieferung.
Da gibt es eine Besonderheit, die ich erwähnen möchte. Wir kaufen immer per Nachnahme via „Nova Poschta“, einem kommerziellen Paketdienst, der innerhalb von Filialen liefert, also nicht bis vor die Haustür. Das macht aber nichts, das Filialnetz ist sehr gut ausgebaut. Dieser Dienstleister ist schnell und zuverlässig, der Clou ist jedoch: Ich kann direkt in der Filiale das Paket öffnen, alles begutachten und wenn es mir nicht passt, ohne Begründung oder weitere Kosten zurückschicken lassen! Das nenne ich mal einen praktischen und guten Service.
Das klingt alles super, wo ist der Haken? Wo muss man aufpassen?
Ja, es gibt einiges, was man beim Einkauf beachten sollte und es gibt so einiges, da werde ich richtig sauer. Bei verderblichen Lebensmitteln sollte man unbedingt das MHD beachten. Ich habe es schon erlebt, dass diverse Sachen beim Auspacken zu Hause wieder anfangen wollten zu leben oder eine leichte, grünlich/blaue Patina angesetzt hatten.
Bei „Sonderangeboten“ muss man vorsichtig sein. Für das neue Ferienhaus kaufte ich Fliesen, die „im Angebot“ waren. Diese waren schlichtweg fehlerhaft produziert. Ich habe ganz schön geflucht beim Schneiden dieser Fliesen. Die brachen, wo sie wollten und die Glasur splitterte viel zu weit aus, was leider erst nachträglich, nach dem Verfugen, sichtbar wurde. Da konnte ich schlecht reklamieren.
Auch bei Materialien und vor allem Werkzeugen kommt vieles aus China. Und das ist leider viel zu oft der letzte Dreck! Hier zahlt sich der Spruch weiser Babuschkas aus: „Wir sind viel zu arm, um solchen billigen Müll zu kaufen.“ Also, genau überlegen oder lieber etwas mehr sparen und Markengeräte kaufen.
So richtig sauer werde ich, wenn Verkäuferinnen unprofessionell arbeiten. Wenn man hier 300g von einer Wurst bestellt, so kann das Stück durchaus weniger oder etwas mehr sein. In einem gewissen Rahmen ist das auch ok. Ich will dann aber wenigstens gefragt werden, ob ich damit einverstanden bin. Und wenn sie ohne zu fragen statt 300g mir ein Stück von 500g andrehen wollen, dann beschwere ich mich natürlich.
Aber den Abschuss machen allgemein die Tortenverkäuferinnen. Ich würde denen am liebsten eine Reise nach Deutschland empfehlen und einen Kurs in einer Konditorei. Es ist mir nicht nur einmal passiert, dass ich Tortenstücke kaufen wollte. Und da sollte man beim Einpacken doch etwas vorsichtig vorgehen, oder? Da gehört wenigstens ein stabiler Pappteller unten drunter oder eine vergleichbare Verpackung. Nö, die „Verkäuferinnen“ stopfen(!) die Torte in eine stinknormale Plastiktüte und drücken dann auch noch schön fest zu, dass man gar nicht mehr erkennen kann, was man da kauft. Letztens war es wieder so, da habe ich es abgelehnt zu kaufen und bin einfach gegangen.
Ein paar Tage später, wir hatten Besuch und ich brauchte dringend etwas zum Kaffee, war es in einem anderen Laden genau so! Da bin ich laut geworden. Erst habe ich auf Deutsch geflucht – und die Verkäuferin im schönsten Surschyk dann gefragt: „Що ти робиш! Я свиня? Чого ти выучил? Я не куплю це говно! – Was machst Du da? Bin ich ein Schwein? Was hast Du gelernt? Ich kaufe diesen Scheiß nicht!“ Sie hat es verstanden, wurde rot, verschwand im Nebenraum und kam mit einer passenden Schachtel wieder und packte mir neue Stückchen perfekt ein. Also, es geht doch! Ich weiß, dass der Lohn der Verkäuferinnen recht mager ist. Aber das entschuldigt niemals so ein Desinteresse am Job und stümperhaftes Arbeiten.
Zahlungsmöglichkeiten
„Nur Bares ist Wahres“ - das gilt auch in der Ukraine. Das Vertrauen in Banken ist hier nie sehr hoch gewesen. Trotzdem sehe ich viele, die selbst Kleinigkeiten mit Karte bezahlen. Im Baumarkt konnten wir problemlos auch einen größeren Posten von fast 1000 Euro mit der deutschen Eurocard begleichen. Bankautomaten sind reichlich vorhanden, mit der EC-Karte kann man auch Geld abheben, wenn es eine Maestro-Karte ist. Hat man eine V Pay-Karte, hat man Pech. Euros oder Dollars tauschen ist ebenso problemlos möglich. Ich empfehle immer, auch Euros mitzuführen.
Im Eingangsbereich vieler Geschäfte stehen Einzahlungsautomaten (siehe Bild). Das ist sehr komfortabel, dort kann Guthaben für Mobiltelefone aufgeladen werden. Übrigens, SIM-Karten erhält man aktuell noch ohne Probleme und ohne Registrierung. Bis ich mir die Automaten einmal etwas genauer angeschaut habe. Man kann dort nämlich auch Banküberweisungen durchführen und Rechnungen für kommunale Dienstleistungen, Strom, Gas, etc. begleichen. Eine sehr praktische Sache.
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Super Surschyk: dreisprachige! :-)