Die Geschichte der Ukraine - Frühgeschichte bis zu den Kiewer Rus

Chasaren auf dem Ritt nach Westen.Zur Ur- und Frühgeschichte für das Land nördlich des Schwarzen Meeres, welches heute die Ukraine ist, existieren leider nur spärliche Erkenntnisse und basieren oft auf Vermutungen. Menschen lebten wohl schon in der Altsteinzeit in diesem Gebiet, es gab verschiedene, nomadische und halbnomadische Völker. Erste schriftliche Erkenntnisse dieses Gebietes erlangten wir durch die überlieferten Sagen des klassischen Altertums. Zum Beispiel in der Geschichte der Reise des Herakles auf dem Schwarzen Meer oder durch die Abenteuer des Odysseus im Lande der Kimmerier, deren Reich bis zur Krim, an die Straße von Kertsch reichte. Prometheus wurde auf Befehl des Zeus am Kaukasus festgekettet – die Gegend nördlich des Schwarzen Meeres war also den alten Griechen bekannt.

Aber selbst aus der Zeit um 500 v. Chr., als Athen seine Akropolis baute, die Schlacht der 300 Spartaner an den Thermopylen stattfand und die römische Republik langsam anfing zu expandieren, sind wenige Aufzeichnungen aus dem Gebiet der Ukraine überliefert. In dieser Zeit siedelten Griechen, genauer pontische Griechen entlang des Schwarzen Meeres bis hinunter nach Georgien. An der Küste der heutigen Ukraine und vor allem der Krim gründeten sie Kolonien. Den Aufzeichnungen dieser Griechen verdanken wir erste Hinweise, besonders vom Volk der Taurer, einem kriegerischen Hirtenvolk auf der Krim. Daher stammt auch bis zur Sowjetzeit die offizielle Bezeichnung »Taurien« für die Krim und Gegenden im Süden der Ukraine.

Im Gebiet der heutigen Ukraine selbst lebten die Reitervölker der Skythen, diese wurden später durch Sarmaten verdrängt. Das Gebiet war Teil des Descht-i-Kiptschak (Wildes Feld, ukr. Дике Поле, lat. Loca Deserta). Wildes Feld – diese Bezeichnung für die Steppenlandschaft hat sich bis ins 18. Jahrhundert für das Gebiet rechts des Dnjeprs erhalten. So wie auf der sehr interessanten Karte von Vasseur de Beauplan aus dem Jahre 1648.

Leider hinterließen die Skythen und Sarmaten im Gebiet der Ukraine ebenfalls keine schriftlichen Überlieferungen. Archäologen lüften Stück für Stück den Schleier der Geschichte, finden immer wieder Hinweise in den zahlreichen Kurganen, den Grabstätten dieser Völker. Als dann in den ersten Jahrhunderten nach Chr. die Hunnen in Europa einfielen, durchquerten diese das Gebiet der Ukraine und zogen dort lebende Völker im Zuge der Völkerwanderung mit sich.

Zu ihnen gehörte das Volk der Greutungen und Ostgoten, die sich den einfallenden Hunnen unterwarfen und mit ihnen gen Westen zogen. Zurück blieb nur eine kleine Gruppe, bekannt als Krimgoten. Noch heute zeugen Überreste der in Fels gehauenen Gotenburgen von ihrer Existenz. Bis ins 8. Jahrhundert lebten sie am südlichen Zipfel der Krim, unterlagen dann den Chasaren und gingen in diesem Reich auf, welches bis zur Zeit der Kiewer Rus bestand.

Das Reich der Chasaren im Jahre 814Die Chasaren selbst kamen aus dem Kaukasus, jüdisch war deren wichtigste Religion. Aber es gab auch Christen und Muslime unter ihnen. Als Verbündete von Byzanz waren sie eine Hilfe gegen das Sassanidenreich (zweites persische Großreich) sowie die arabischen Kalifate. Und sie handelten schon in der damaligen Zeit mit Indien und China, Stichwort Seidenstraße. Die Städte Kertsch, Feodosia, Jewpatoria auf der Krim entstanden unter den Chasaren. Und sie gründeten entlang des Dnjeprs Siedlungen, darunter »Sambat«. Diese wurde später ein Teil der Stadt Kiew. Laut Wikipedia hat möglicherweise auch Tschernihiw als chasarische Siedlung begonnen.

Weiter im Norden, im heutigen Gebiet der Oblaste Kiew, Tschernihiw, Sumy und darüber hinaus siedelten natürlich auch schon Menschen. Benannt nach Fundstellen nahe Kiew ist die »Kiewer Kultur« bekannt, die vom 2.Jhd bis zum Einfall der Hunnen im 5. Jhd. bestand. Diese Menschen lebten in Flussnähe oder auf Anhöhen in kleinen Dörfern. Ackerbau und Viehzucht sicherte ihren Lebensunterhalt.

Auch Bulgaren (6.Jhd.) und Magyaren (9.Jhd.), deren Wurzeln an der Wolga liegen, lebten eine zeitlang auf dem Gebiet der Ukraine, bevor sie in die heute bekannten Landesteile weiterzogen bzw. in diese durch andere Völker getrieben wurden.

Bleiben noch die Slawen zu erwähnen. Ihr Ursprung ist nicht eindeutig geklärt. Sprachforscher sehen die Urheimat der Slawen im Raum nördlich der Karpaten zwischen oberer Weichsel, mittlerem Dnjepr und Desna. Für die Geschichte der Ukraine interessant sind die Ostslawen. Sie breiteten sich immer weiter nach Norden aus. Bezeichnend für die Slawen sind die einheitliche Sprache und Bräuche. Auch hier kommt erschwerend hinzu, dass die slawische Schrift erst im 9. Jhd. entwickelt wurde und vordem nur wenige Aufzeichnungen existierten. Aber auch, dass die Forschung im 19. und 20. Jhd. durch nationalistisch gefärbte Debatten (von wem wohl...) über die Urheimat der Slawen behindert wurde.

Die ostslawischen Stämme waren zunächst noch Heiden. Erst die wikingschen Händler und Krieger, auch Waräger oder Rus genannt, einten die gesamte Region der heutigen Nordukraine, Weißrussland und Westrussland gegen Ende des 9. Jahrhunderts zum ersten ostslawischen Reich, der Kiewer Rus, unter denen dann die Christianisierung stattfand. Aber diesen widme ich einen eigenen Beitrag, für heute soll es erst einmal genug sein. Hier noch der Bildnachweis:

Bild 1: Chasaren auf dem Ritt nach Westen. © CC, Quelle
Bild 2: Eski-Kermen, Bakhchisaray raion, Crimea, Ukraine by Ilya Schurov (Flickr) [CC-BY-SA-2.0], via Wikimedia Commons
Bild 3: Karte des Chasarenreiches 814. Quelle


 

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